Niemand hätte sich vor wenigen Wochen träumen lassen, dass bald schon ein europäisches Land überfallen und ein Eroberungskrieg vom östlichen Nachbarn mit unglaublicher Härte geführt wird. Unzählige Menschen befinden sich auf der Flucht in sichere Nachbarländer oder zu uns nach Deutschland. Die Hilfsbereitschaft ist überall gewaltig und auch die Sänger und Sängerinnen des Stuttgarter Oratorienchors nehmen großen Anteil am Leid, das die ukrainische Bevölkerung erfahren muss.
Unser Chor kann nichts weiter tun als allen Opfern durch tröstende Musik zu gedenken und damit unsere Verbundenheit mit den Hinterbliebenen – auch auf der russischen Seite – auszudrücken. Wer hätte gedacht, dass unser Konzert am Palmsonntag einen solchen, unfassbar tragischen Bezug bekommt. Mit dem Passionskonzert wollten wir doch nur unser Jubiläumsjahr eröffnen und die durch die Pandemie bedingte über zweijährige Konzertpause beenden!
2022 – 1847 = 175
Der Stuttgarter Oratorienchor e.V. ist seit dem 24. Februar 175 Jahre alt! 1847 konstituierte sich der „Verein für klassische Kirchenmusik“ und der Chor machte sich zur Aufgabe, die sakrale Vokalmusik zu pflegen. In den ersten Jahrzehnten führte er immer wieder auch Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy auf. Wie sehr die politische Situation in den Jahren 1933 -1945 das Chorleben beeinflusste, kann man sich ohne viel Fantasie vorstellen. Schließlich fiel 1937 die Entscheidung, sich in „Stuttgarter Oratorienchor“ umzubenennen. Man glaubte, unter diesem Namen die eigenen musikalischen Traditionen und das restriktive Kunstverständnis des Regimes auf irgendeine Weise unter einen Hut bringen zu können. Die vom Krieg erzwungene Proben- und Konzertpause kann man natürlich nicht mit der kulturellen Flaute während der Pandemie vergleichen. Das Bedürfnis, endlich wieder Konzerte zu singen oder als Besucher wundervolle Musik zu genießen, war und ist jedoch ähnlich stark ausgeprägt.