Vermutlich wurde Marc-Antoine 1643 in Paris geboren. Sein Vater und sein Großvater waren hohe Beamte am französischen Hof und am Parlement de Paris. Mit zwanzig Jahren begab er sich nach Rom, um dort Malerei zu studieren. Bald wandte er sich aber der Musik zu und wurde für einige Jahre Schüler des berühmten Giacomo Carissimi, einem führenden italienischen Komponisten der italienischen Barockmusik.
Er hatte bei diesem Meister (Carissimi) die so seltene Kunst gelernt, durch die Töne der Musik den Sinn der Worte auszudrücken und zu rühren. … aus einem Nachruf auf Charpentier
Pariser Karriere beginnt zunächst mit Paukenschlag
Der große Molière hatte sich mit seinem Komponisten Jean-Baptiste Lully zerstritten und bot dem noch völlig unbekannten Charpentier 1672 an, die Musik zu seiner nächsten Komödie Le Malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) zu schreiben. Diese fast vergessene Bühnenmusik hatte John S. Powell in den Archiven der Comédie Française wiedergefunden und kein Geringerer als Camille Saint-Saëns führte diese Musik im Jahre 1892 erstmalig wieder auf. Fotos: Tabea Müller-Konnerth
Charpentier erlebte das prunkvolle Zeitalter von König Ludwig XIV hautnah mit. Doch obwohl er in den französischen Adelshäusern ein- und ausging, erhielt er nie eine feste Anstellung am königlichen Hof. Das mochte auch daran liegen, dass eben jener Lully – immerhin erster Hofkomponist des „Sonnenkönigs“ Louis XIV – den elf Jahre jüngeren Kollegen fünfzehn Jahre lang (bis zu seinem Tod im Jahre 1687) mit seiner Eifersucht verfolgte und ihm den Zugang zum Hof erschwerte. Selbst mächtige Gönner wie der Dauphin oder Mademoiselle de Guise konnten nichts gegen Lullys Intrigen ausrichten. Hinzu kam noch der Umstand, dass Charpentier durch seine italienische Ausbildung in Rom stilistisch der italienischen Musik näherstand, als der am Hof von Versailles präferierten französischen Stilistik.
Diese italienische Stilistik beinhaltet eine außergewöhnlich komplizierte Harmonik und eine kühne Dissonanz-Behandlung. Auch die klangmalerisch-illustrative Textauslegung seiner Musik, die konzertierenden Wechsel zwischen Vokal- und Instrumentalteilen – die größtmögliche „Diversité“- erzeugten ebenso Bewunderung wie Ablehnung bei seinen Zeitgenossen.
Vereinzelt Anerkennung zu Lebzeiten – posthum Berühmtheit im 20. Jahrhunderts erlangt
Dennoch ließ ihm der Sonnenkönig regelmäßig Kompositionsaufträge zukommen. Dass Ludwig XIV die Musik Charpentiers trotz allem sehr schätzte, bewies die lebenslange Pension, die er ihm gewährte, was übrigens seinen eifersüchtigen Kollegen Jean Baptist Lully maßlos geärgert haben musste. Ansonsten verdiente der Komponist seinen Lebensunterhalt auch als Sänger, Kapellmeister oder Musiklehrer bei verschiedenen Arbeitgebern. Als er im Dienst des Jesuiten-College Louis-le-Grand stand, komponierte er die meisten seiner rund 500 Kirchenwerke, darunter auch das Te Deum, das unser diesjähriges Weihnachtskonzert eröffnen wird.
Bescheiden und zurückgezogen lebte er für seine Kunst. Er war wohl geachtet und geehrt und blieb doch fern von jenem Glanz, den damals nur das Umfeld des Königs gewährte. Auch seine Berufung als „Maitre de Musique“ an die renommierte und sehr bedeutende Sainte-Chapelle 1698 änderte nichts daran, dass Marc-Antoine Charpentier eine marginale Rolle im Pariser Musikleben seiner Zeit spielte.
Inzwischen ist sein Nachruhm als Großmeister des französischen Barocks jedoch umfassend und dauerhaft.